Haushaltsrede 2012 der SPD-Gemeinderatsfraktion

Veröffentlicht am 31.01.2012 in Fraktion

Sehr geehrter Herr Bürgermeister,
liebe Kolleginnen und Kollegen,
sehr geehrte Mitbürgerinnen und Mitbürger,

Anfang letzten Jahres haben wir bei der Verabschiedung unseres Haushaltes für 2011 noch die Frage gestellt: „Wann kommt der 2010 begonnene wirtschaftliche Aufschwung mit allen positiven Konsequenzen auch bei den Kommunen - und damit bei den Menschen - an?“
Was wir seinerzeit erhofft haben, ist tatsächlich eingetreten.
Die Aufwärtsentwicklung unserer Volkswirtschaft hat sich 2011 dynamisch fortgesetzt und dadurch auch uns in Weingarten vorübergehend die Sorgen um die Finanzierung unserer vielfältigen Aufgaben genommen.

Nach dem Anstieg des Bruttoinlandsproduktes in 2010 um 3,7 % ist 2011 ein weiterer Anstieg um 3 % zu verzeichnen gewesen. Damit hat sich Deutschland im Euro-Raum an die Spitze der wirtschaftlichen Entwicklung gesetzt.

Hier hat sich erneut Karl Valentins kluger Spruch bewahrheitet (Sie erinnern sich an das Zitat bei der letzten Haushaltsrede) „Es ist problematisch mit Prophezeiungen – insbesondere wenn sie sich auf die Zukunft beziehen!“

Um die Treffsicherheit dieses Zitates zu beweisen, genügt ein Blick zurück in den Haushalt 2011 und den dazugehörigen Vergleich zum voraussichtlichen Ergebnis 2011.

Wir gingen vor einem Jahr im Verwaltungshaushalt noch von einer Negativzuführung vom Vermögenshaushalt von 1,2 Mio. € aus. Was damals keiner zu glauben wagte, ist heute Fakt. Die Negativzuführung konnte vollständig vermieden werden; sogar das Gegenteil ist eingetreten. Wir konnten dem Vermögenshaushalt Ende letzten Jahres stattdessen 1,3 Mio. € für die Rücklage zuführen!

Für die Zukunft verbessert sich die Lage der Städte und Gemeinden in Baden-Württemberg im vor uns liegenden mittelfristigen Zeitraum weiterhin und dies trotz gedämpften konjunkturellen Wachstumserwartungen von 0,5 bis 0,7 % für 2012.
Die neue grün-rote Landesregierung hat unmittelbar nach ihrem Amtsantritt Beschlüsse auf den Weg gebracht, die die finanzielle Situation der Kommunen - insbesondere bei den Aufwendungen für die Kinderbetreuung - spürbar entlasten.

Auf diesen Bereich werde ich bei meinen Anmerkungen zum maßgebenden Einzelplan noch näher eingehen.

Zum Haushalt der Gemeinde Weingarten 2012

Die diesjährigen Haushaltsberatungen waren für alle Fraktionen langwierig, aufwändig und schwierig. Grund für die strukturierte Aufarbeitung der Haushaltsansätze war die unverblümte Aufforderung des Landratsamtes als kommunaler Aufsichtsbehörde der Gemeinde an den Gemeinderat, durch Ausgabenbegrenzungen mittelfristig dafür zu sorgen, dass der Gemeindehaushalt genehmigungsfähig bleibt.
In vielen Sitzungen ist es schließlich gelungen, zur Haushaltskonsolidierung Kompromisse zu erzielen, die den Gesamthaushalt um die Summe von insgesamt 795.000 € entlasten.
Dabei sind Kostenreduzierungen in Höhe von 665.000 € erzielt worden, ohne dadurch die gute Infrastruktur des Ortes und die sozialen bzw. familiären Leistungen für die Einwohner zum Nachteil verändert zu haben.
Im Bereich der Investitionen (hier Vermögenshaushalt) wurde das Ausgabevolumen durch Verschieben einzelner Projekte in spätere Jahre reduziert. Bei den Zuwendungen für die ehrenamtlichen Aktivitäten der Vereine ist es bei den bisherigen Ansätzen geblieben. Für uns ist dieser Haushaltstitel geschütztes Gebiet!
Leider war es jedoch bei Abwägung der für 2012 ergriffenen Sparmaßnahmen nicht zu vermeiden, die Grundsteuer B nach 2011 erneut um 20 Punkte auf 340 v.H. anzuheben; einem Wert, der u. E. nun im absolut oberen Grenzbereich im Vergleich zu unseren Nachbarn liegt. Mit dieser Steuererhöhung und der gestie-genen Hundesteuer werden wir in Weingarten ab 2012 Mehreinnahmen in Höhe von 130.000 € jährlich erzielen.
Die SPD-Fraktion ist der Überzeugung, dass zusätzlicher Finanzbedarf zukünftig ausschließlich über Einsparungen im Haushalt generiert werden muss. Das würde dann zwangsläufig dazu führen, dass bestimmte Leistungen künftig nicht mehr erbracht werden können. Um zusätzliches Sparpotential zu erkennen, braucht man sich nur die Kostendeckung der kostenrechnenden Einrichtungen anzusehen.
Es war für alle in der Tat eine glückliche Fügung, dass das Land in seinem Haushaltserlass für 2012 die Zuweisungen für die Kleinkindbetreuung in Weingarten um nahezu 700.000 € - aufgestockt hat. Wäre es bei der bisherigen Bezuschussung der alten Landesregierung geblieben, hätte dieser Betrag zusätzlich eingespart werden müssen!

Der Verwaltungshaushalt schließt 2012 mit einem Überschuss in Höhe von 156.000 € ab, der dem Vermögenshaushalt abermals zugeführt werden kann. Wir haben die Hoffnung, dass dieser Wert bei zufrieden stellendem wirtschaftlichem Verlauf noch gesteigert werden kann. Die Vorausschau zur Entwicklung der Zuführungsrate lässt erkennen, dass die Verwaltungshaushalte mittelfristig bis 2015 wieder geringe Erträge für den Vermögenshaushalt abwerfen. Eine Netto-Investitionsrate (Zuführung abzüglich Tilgung) steht aber nur für 2013 zur Verfügung.

1. Neue Gewerbegebiete

Die SPD-Fraktion ist der Meinung, dass man sich in Weingarten in nächster Zeit wesentlich stärker um das wichtige Thema „Gewerbeflächen“ kümmern muss. Dies haben wir schon in unserer Haushaltsrede im vergangenen Jahr gefordert.

Der Sachstand ist folgender:
Wir entwickeln zurzeit eine eher bescheidene Erweiterung eines bestehenden Gewerbegebiets im „Sandfeld“, das nur wenige Gewerbeansiedlungen erlauben wird. Längerfristig sieht es in Weingarten mit der Ansiedlung von Gewerbe weniger erfreulich aus. Dies können wir ganz einfach aus dem Sachstandsbericht der Gewerbeflächenplanung im Nachbarschaftsverband Karlsruhe entnehmen. Das Zwischenergebnis der Fortschreibung dieser Bedarfsplanung sieht für Weingarten bis zum Jahr 2025 einen Bedarf von 5 Hektar für gewerblich genutzte Flächen vor, davon soll mehr als die Hälfte (2,9 ha) durch Wiedernutzung frei werdender Flächen (= Brachen) gewonnen werden, der Rest (2,1 ha) wird als weiterer Bedarf für Gewerbe bis 2025 zugestanden. Um die Bescheidenheit dieser Zahlen zu verstehen, muss man wissen, dass für die Stadt Stutensee den 2,1 ha von Weingarten eine Fläche von 21,4 Hektar gegenüber zu stellen ist. Das ist ein Zehnfaches des Wertes von Weingarten. Stutensees Einwohnerzahl liegt dagegen nur beim 2,2-fachen der Einwohnerzahl von Weingarten.

Hier sieht selbst ein Unbeteiligter, dass mit solchen Berechnungen etwas nicht stimmen kann und Weingarten dabei ist, wichtige Entwicklungschancen zu verschlafen. Deshalb müssen wir aktiv werden, um diese ungenügende Planung für Weingarten zu revidieren. Wir sollten uns durch Uneinigkeit nicht erneut in eine Einbahnstraße manövrieren lassen, wie damals bei der Frage des Standortes für die weiterführenden Schulen.

2. Kinderbetreuung

Mit dem Ausbau des Angebots zur Kinderbetreuung für Kinder unter 3 Jahren an Kindertageseinrichtungen und in der Kindertagespflege sind wir im Zielkorridor angelangt; entsprechend überproportional sind auch unsere Aufwendungen hierfür gestiegen Durch die neue Landesregierung wird die Kleinkindbetreuung nun auch so gefördert, wie dies im Landtagswahlkampf versprochen wurde. Die Zuweisungen des Landes werden nach einem Pakt mit den Kommunalen Landesverbänden 2012 und 2013 überdurchschnittlich erhöht. Hervorzuheben ist, dass sich ab dem Jahr 2014 Land und Bund zu 68 % an den Betriebsausgaben für die Kleinkindbetreuung beteiligen wird. In Weingarten haben wir bezüglich der Anpassung der Elternbeiträge für die Kinderkrippe Zauberwald und für die Weingartener Kindergärten zurückliegend eine sehr intensive und kontroverse Diskussion mit den Eltern bzw. Elternvertretern geführt. Letztlich konnten wir mit der Anpassung der Elternbeiträge in der Kinderkrippe „Zauberwald“ an das Niveau der privaten Anbieter eine Gleichbehandlung aller Eltern realisieren, was jetzt noch mit der Anpassung der unterschiedlichen Öffnungstage komplettiert werden sollte. Aufgrund der deutlich höheren Zuschüsse des Landes konnte letztlich eine moderate Mehrkindregelung an den Weingartener Kindergärten beibehalten werden.
Die SPD-Fraktion unterstützt die beabsichtigten Gespräche der Verwaltung mit den Eltern mit dem Ziel, eine faire Sozialstaffelung der Kindergartengebühren über den derzeitigen Stand hinaus weiter zu entwickeln. Außerdem wollen wir uns dafür einsetzen, dass es im Kinder- und Jugendbereich – und auch bei den Aufwendungen für die Mensa, für den Hort bzw. für das Jugendzentrum - zu kei-nerlei Einsparungen kommt. Wir begrüßen die Kooperation des Jugendtreffs mit der Turmbergschule und unterstützen die erfolgreiche Tätigkeit der Schulsozialarbeit.

3. Turmbergschule als Gemeinschaftsschule

Der Antrag der SPD-Fraktion, für unsere Werkrealschule die Zulassung als neue Gemeinschaftsschule zu beantragen, ist im Gemeinderat einstimmig verabschiedet worden. Nachdem wir bei der ersten Tranche erwartungsgemäß nicht dabei sind, hoffen wir, dass ab dem Schuljahr 2013/2014 auch bei uns eine Gemeinschaftsschule anstelle der Werkrealschule angeboten wird.
Hierzu wird es allerdings erforderlich sein, eine gebundene Ganztagesschule einzuführen. Eltern und Lehrer sollten sich deshalb in den nächsten Monaten diesbezüglich zusammensetzen, um gemeinsam das weitere Vorgehen abzustimmen. Die SPD-Fraktion wird entsprechende Initiativen nach Kräften befördern. In einem zweiten Schritt sollte dann zeitversetzt auch unsere Grundschule in eine gebundene Ganztagesschule umgewandelt werden. Dann haben wir ein umfassendes Lernangebot aus einem Guss erreicht.
Eine Frage sei noch erlaubt: Wo bleibt eigentlich die von uns schon vor 2 Jahren angeregte Ausbildungsstellenbörse? Zur Erinnerung: Eine Ausbildungsstellenbörse bildet einen wichtigen Baustein zur frühen Berufsinformation für unsere Schülerinnen und Schüler.

4. Bauen In Weingarten

In vielen Haushaltsreden hat sich die SPD-Fraktion dafür eingesetzt, dass für bauwillige Familien Bauflächen und in absehbarer Zeit vielleicht auch wieder Erbbauplätze zur Verfügung gestellt werden. Fläche ist jedoch einerseits nicht unbeschränkt verfügbar und andererseits wird der Druck seitens des Landes immer größer, den Flächenverbrauch einzudämmen. Aus diesem Grund wird die früher nicht so sehr geliebte Bebauung in zweiter Reihe oder im Innenbereich eines Quartiers in vielen Fällen eine der Möglichkeiten für Bauwillige sein.
Nachdem es aber auch in der Zukunft eine hohe Zahl an Bauwilligen geben wird, bemüht sich die Gemeinde Weingarten, Baumöglichkeiten in neuen Gebieten zu offerieren. Während es lange so aussah, als wolle die Gemeinde einen Teil des TSV-Sportgeländes zeitnah in Baugelände umwandeln, so zeichnet sich jetzt ab, dass das Gebiet zwischen Walzbachhalle und Richtäcker, genannt „Moorblick“, zuerst bebaut werden soll. Bei "Moorblick" besteht noch größerer Diskussionsbedarf, weil die bisher vorgeschlagenen Entwürfe nicht überzeugten, insbesondere die Verkehrserschließung. Auch die Zufahrt zum neuen TSV-Zentrum, die zwischen Walzbachhalle und neuen Baugebiet verlaufen soll, wird von uns kritisch gesehen.

Die notwendige Renovierung unserer eigenen Wohnblöcke im Lärchenweg und Eichenweg darf jedoch bei der Investitionsplanung nicht in Vergessenheit geraten. In dieser Frage stehen wir bei den Anwohnern der Waldbrücke schon seit Jahren im Wort.

5. Seniorenbetreuung

Mit dem Antrag auf Einrichtung einer Zukunftswerkstatt für Seniorinnen und Se-nioren hat meine Fraktion die Diskussion um die Frage, wie wollen wir künftig als ältere Menschen in unserer Gemeinde leben, angestoßen. Dabei ging es zunächst um eine Bestandsaufnahme und Analyse der Situation unserer Senioren. Im Wesentlichen dreht es sich aber um die Tatsache, dass bei fortschreitender demographischer Veränderung keine Zeit mehr verloren werden darf, um auf Entwicklungen in 10 bis 20 Jahren heute schon inhaltlich vorbereitet zu sein.
Wir freuen uns, dass dieser Denkanstoß aufgenommen wurde und durch eine weitere Initiative der Freien Wähler über die Frage einer Seniorengenossenschaft für Weingarten intensiv nachgedacht wird. Der Kreativität sind keine Grenzen gesetzt. Dies gilt auch für die Koordination durch den Bürgermeister.

6. Offene Baustelle Bahnübergang „Häcker“

Die Planung des Regierungspräsidiums zum Bahnübergang Häcker konnte bislang immer noch nicht abgeschlossen werden. Die dazu erforderliche Umweltverträglichkeitsstudie liegt immer noch nicht vor, obwohl sie ursprünglich bis Mitte 2010 fertig gestellt sein sollte. Dies ist aber nicht die einzige Zeitvorgabe, die voll daneben geht. Vom damaligen Innenminister Heribert Rech ist uns im Jahr 2005 für das Projekt ein Baubeginn im Jahr 2008 prognostiziert worden. So wie es heute aussieht, werden wir noch lange Zeit auf eine Realisierung einer entsprechenden Straßenbaumaßnahme warten müssen. Wir schlagen deshalb vor als Mahnmal für die uneingelösten Versprechungen von Landespolitikern eine „Heribert-Rech-Gedächtnis-Uhr“ aufzustellen. Die Zeiger dieser Uhr stehen heute auf 4.00 Uhr. Im weiteren Zeitablauf gibt es ja die Möglichkeit, Jahr für Jahr bis auf 12.00 Uhr zu erhöhen, um dann die Jahresfrist anschließend nochmals von 13.00 bis 24.00 Uhr fortzuschreiben. Also mal schauen, wie es um 12:00 Uhr – wir schreiben dann nach Rech-Zeit das Jahr 2020 (!) – aussieht??
Dies befreit uns aber nicht von den Sorgen, die nach wie vor verkehrsmäßig für die Jöhlingerstraße und die Ringstraße bestehen. Die Anwohner beider Straßen tragen die Hauptlast des Durchgangsverkehrs der L559 und sehen derzeit kein Licht am Horizont. Wir müssen alles unternehmen, um die Lärm- und Feinstaubbelastung für diese Menschen zu verringern.

7. Allgemeines

Am Ende von Haushaltsberatungen fällt der Blick immer auf die Schuldenentwicklung der Gemeinde. Hier können wir damit zufrieden sein, dass es gelungen ist, die Pro-Kopf-Verschuldung im Kämmererhaushalt - also ohne Eigenbetriebe – nach 2011 i. H. von 402 € nun mit 485 € in vertretbarem Rahmen zu halten.

Die SPD-Fraktion stimmt dem Haushalt der Gemeinde Weingarten für 2012, der in Einnahmen und Ausgaben mit 22.014.900 € abschließt, und den Wirtschaftsplänen der Eigenbetriebe Wasserversorgung, Abwasserbeseitigung und Bauhof für das Wirtschaftsjahr 2012 zu.

Wir danken Herrn Bürgermeister Bänziger und der gesamten Verwaltung für die Unterstützung, die uns bei den Sitzungen des Gemeinderates und seiner Ausschüsse zuteil wurde.

Einen besonderen Dank richten wir an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Rechnungsamtes unter Leitung von Herrn Bittner, die das gesamte Zahlenwerk präzise vorbereitet und uns durch das Labyrinth des Haushaltsrechtes erfolgreich und zielführend geleitet haben.

Auch allen in den Eigenbetrieben der Gemeinde tätigen Mitarbeitern spre-chen wir unseren Dank für ihr großes Engagement aus.

Wir freuen uns, auch in den kommenden Monaten mit den Kolleginnen und Kollegen der anderen Fraktionen im Gemeinderat konstruktiv und erfolgreich zusammenzuarbeiten.

(Es gilt das gesprochene Wort)

Haushaltsrede 2012 (Download als PDF)

Haushaltsreden der Gemeinde Weingarten - BNN vom 01.02.2012

 

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