Haushaltsrede 2010

Veröffentlicht am 04.02.2010 in Ortsverein

Stellungnahme der SPD- Fraktion
zum Haushalt 2009 der Gemeinde Weingarten/Baden
gehalten von Gemeinderat Prof. Dr. Claus Günther

Herr Bürgermeister, meine Damen und Herren, eine Haushaltsrede kommt nicht ohne die Beschreibung und Bewertung der aktuellen Situation aus. Dies betrifft sowohl die gegenwärtige Finanzsituation wie auch die politische Situation, zunächst in Bund und Ländern, dann natürlich auch in unserer Gemeinde. 1. FINANZSITUATION DES BUNDES UND DER KOMMUNEN Die finanzielle Situation im Bund ist, vornehm ausgedrückt, alles andere als rosig, die Pläne der zur Zeit regierenden Schwarz-Gelb-Koalition zu Steuersenkungen lassen erwarten, daß sich die Situation in absehbarer Zeit nicht ändert. Auch dem neuen baden-württembergischen Ministerpräsidenten Mappus wird nachgesagt, daß er sich für Steuersenkungen einsetzt. Dies, im Zusammenhang mit einer schamlosen Klientelpolitik, wird nicht gut enden! All jene, die entweder direkt oder indirekt am Tropf des Bundes hängen, werden so weiter in Mitleidenschaft gezogen, das sind die Bundesländer und die Kommunen, die Bundesländer geben die Minderzuweisungen des Bundes und häufig noch mehr nach unten weiter. Das letzte Glied in der Kette sind die Kommunen, also wir. Man kann dies auch so formulieren: Die Krise ist unten angekommen. In den Städten und Gemeinden brechen die Einnahmen weg, den Bürgern stehen harte Einschnitte bevor. Hautnah wird die Mehrheit der Deutschen die Folgen der Wirtschafts- und Finanzkrise an ihrem Wohnort am eigenen Leib zu spüren bekommen. Die große Politik tut noch das Ihrige hinzu. Die Koalitionsvereinbarung von CDU/CSU und FDP enthält viele Vorhaben, die zur Verschlechterung der Einnahmen der Kommunen und gleichzeitig zur Erhö-hung der von den Gemeinden zu bestreitenden Sozialausgaben führen. Als Bei-spiel für den ersten Teil meiner Aussage nenne ich die Einkommensteuersen-kung, die den Kommunen 4 Milliarden Euro pro Jahr weniger bringt. Umgerechnet auf Weingarten mit seiner Einwohnerzahl von knapp 10000 Einwohnern ergibt dies eine Mindereinnahme von einer halben Million Euro, der tatsächliche Betrag, der fehlen wird, ist höher und liegt etwa bei 800.000 Euro. Die Mindereinnahmen bei der Gewerbesteuer liegen wohl bei einer halben Million Euro. Die schwarz-gelbe Koalition weist zwar oft auf die Bedeutung der Kommunen für die Bewältigung gesellschaftlicher Herausforderungen hin wie beispielsweise den Ausbau der Kinderbetreuung. Doch an keiner Stelle der schwarz-gelben Koalitionsvereinbarung wird klar gesagt, wie weitere qualitative und quantitative Leistungsverbesserungen von den Kommunen finanziell bewältigt werden sollen. Die Steuersenkungen, die man in Berlin beschlossen hat, führen, wie schon ausgeführt, zu Mindereinnahmen bei Städten und Gemeinden und zwingen viele von ihnen dazu, sich das Geld auf andere Weise wieder von den Bürgern zu holen, z.B. über höhere Gebühren. 2. FINANZSITUTION DER GEMEINDE WEINGARTEN Lassen Sie mich zur finanziellen Lage unserer Heimatgemeinde kommen. Schon 2008 wurde der allgemeinen Rücklage fast 1.8 Millionen Euro entnommen, was auf jeden Fall als Schwächung der finanziellen Reserven der Gemeinde angese-hen werden muß. Der entsprechende Wert für 2009 liegt bei 1.5 Millionen Euro und läßt die Rücklagen der Gemeinde zum 1.1.2010 auf einen Wert schrumpfen, der vielleicht 125% der gesetzlich vorgeschriebenen Rücklage umfaßt, d.h. hier ist eigentlich nichts mehr zu holen. Um 2010 finanziell funktionsfähig zu bleiben, in anderen Worten, um die absehbaren Ausgaben tätigen zu können, sind im Haushalt dieses Jahres erstmalig wieder 3.4 Millionen Euro Kredite vorgesehen. Dies kann niemandes Herz erfreuen. Und für die Folgejahre 2011 sind 2.6 und für 2013 noch weitere1.5 Millionen Euro Kreditaufnahme im Finanzplan vorgesehen. Wir wären dann wieder beim Schuldenstand von 1995 angelangt. Vielleicht sind diese Zahlen zu hoch angesetzt. In der Regel hat die Verwaltung sparsam agiert, ist mit weniger Krediten ausgekommen und hat eine bessere Zuführung zum Verwaltungshaushalt geschafft als in den Planungen vorgesehen war. Insgesamt läßt sich feststellen, daß ein solches Finanzverhalten mit Auflösung von Rücklagen und Kreditaufnahmen nicht beliebig fortgesetzt werden kann. Auch die negative Zuführung von etwa einer Million Euro zum Verwaltungshaushalt macht deutlich, daß wir Betriebsausgaben entweder aus Grundstücksverkäufen oder mit Krediten finanzieren, ein finanzpolitisch waghalsiges Verhalten, das uns zwar geholfen hat, die Walzbachhalle zu sanieren und eine erste Stufe eines neuen Freibades zu schaffen, ein solcher Gewaltritt ist aber auf die Dauer nicht durchzuhalten. Ein nur geringer Trost kann uns sein, daß die Pro-Kopf-Verschuldung in Weingarten am Ende des Jahres 2010 bei 808 Euro pro Einwohner liegen soll. Diese Zahl kommt uns hoch vor. Wir sollten aber bedenken, daß allein 2010 Jedermanns Verschuldung als Bürger der BRD durch Neuaufnahme von Krediten des Finanzministers um etwa 1000 Euro steigt, ein Betrag, der höher als die 808 Euro liegt. Spinnt man diesen Gedanken noch weiter und legt die bestehenden Gesamt-schulden von Bund, Ländern und Gemeinden in Höhe von 1,5 Billionen Euro auf etwa 90 Millionen Einwohner um, so lasten auf jedem Deutschen Schulden von etwas mehr als 15.000 Euro. Auch diese Zahl ist eines kurzen Einhaltens und Nachdenkens wert. Die entsprechende Zahl für die Bewohner des Landes Baden-Württemberg liegt nach den aktuellen Zahlen aus dem Doppelhaushalt 2010/2011 bei 4.300 Euro, die diesjährige Pro-Kopfschuldenzunahme bei etwa 500 Euro. Eine gewisse Rechtfertigung für unser finanzpolitisches Handeln liegt darin, daß sich die öffentliche Hand antizyklisch verhalten soll. Der Bund hat dies, wie schon vermerkt, vorgemacht, in dem er Konjunkturprogramme aufgelegt hat, von denen auch die Gemeinde Weingarten durch eine vorgezogene weitere Sanierung des Schulgebäudes profitiert hat. Solch antizyklisches Finanzverhaltens bedarf aber eines sehr disziplinierten Verhaltens der öffentlichen Hand, sprich Gemeinde, in Zeiten üppig fließendes Geldes. Wir wissen aber nicht, wann solche Zeiten wieder einmal kommen und wieviel Geld dann zum außerordentlichen Schuldentilgen zur Verfügung steht, wo doch das Verteilen von Wohltaten im politischen Bereich viel angenehmer ist, wie uns das nach der Bundestagswahl gezeigt wurde, siehe die Wohltaten für Hoteliers, Apotheker, Erben, ... usw. Ich wiederhole es noch einmal: Ein trotziges 'Weiter So' in den Finanzen der Kommunen kann es nicht geben. Falls sich die Finanzsituation für die Kommunen in den nächsten Jahren nicht ändern sollte, sind harte Einsparungen, wie sie am 11.1. dieses Jahres in der BNN beschrieben wurden, unausweichlich. 3.SPEZIELLE VORHANBEN DER GEMEINDE a) Betreuung von Kindern unter drei Jahren. Ich möchte mich nun mit speziellen Vorhaben der Gemeinde für das Jahr 2010 befassen. Mit der Betreuung von Kindern unter drei Jahren möchte ich den Anfang machen. Wir sind hier auf einem guten Weg und werden u.U. die vom Bund gemachten gesetzlichen Vorgaben bis zum Jahr 2013 erfüllen. Ganz soweit, wie sich Herr Bürgermeister Scholz laut BNN vom 28.01.2010 bereits wähnt - nämlich daß wir das Drittel der unter Dreijährigen bereits schon reichlich erfüllt hätten -, sind wir jedoch noch nicht. Wenn man die Geburten aus den letzten drei Jahren zusammenzählt und davon ein Drittel nimmt, sind in Weingarten 55 – 60 Betreuungsplätze notwendig. Die derzeit bestehenden Angebote von seiten des Zwergenhauses und von seiten der evangelischen Kirchengemeinde mit der Kindertagesstätte in der Waldbrücke und vom Familienzentrum ALLERDINGS in der Bahnhofstraße werden sehr gut angenommen. Die Einrichtung eines privaten Anbieters wird gegen Jahresende oder Anfang 2011 den Betrieb in Weingarten wahrscheinlich aufnehmen. Dieser Betrieb wird ebenso wie die Einrichtung von ALLERDINGS Kleinkinder aufnehmen, welche 6 Monate alt sind. Insgesamt wünschen wir uns, daß irgendwann in Zukunft KITAs und Kindergärten für die Nutzer kostenfrei werden und Kostenerhöhungen, wie sie zur Zeit stattfinden, nicht auf die Nutzer abgeschoben werden. Einen Antrag für einen ersten Schritt in diese Richtung haben wir schon gestellt, allerdings erfolglos. b) Schule Ein weiterer Höhepunkt in den Veränderungen in unserer Gemeinde ist die Einführung der Ganztagesschule. Es hat sich hier bezahlt gemacht und ist von der Schulbehörde anerkannt worden, daß sich die Gemeinde Weingarten in den letzten 25 Jahren schulfreundlich verhalten hat. Nun zum Geld in dieser Sache: Es wird einen Umbau des E-Baus zur Schulmensa geben, welcher mit knapp 300.000 Euro im Haushalt veranschlagt ist. Wir sehen in dieser Einführung einen positiven Schritt in die richtige Richtung und verweisen darauf, daß diese Einführung von der SPD schon seit langen Jahren angestrebt wurde. c) Gewerbe und Wohnen Ein alljährlich auftauchendes Thema in unseren Haushaltsreden sind das Zurverfügungstellen von Flächen für Wohnbebauung und Gewerbe. Dazu ist aus heutiger Sicht Folgendes zu sagen: Es wird immer schwerer, neue Baugebiete im Grünen genehmigt zu bekommen. Das hat bei den Gebieten 'Südlich der Ringstraße' und 'Aufeld 1B' gerade noch geklappt, die Umwidmung des alten Freibades gelang auch noch, obwohl an anderer Stelle - hinter der Walzbachhalle - auch freie Fläche für ein neues Freibad verbraucht wurde. Ob dies auch in Zukunft genehmigungstechnisch mit Flächen z.B. wie der vom TSV wahrscheinlich aufgegebenen Sportfläche auch so nahtlos läuft, wissen wir nicht. In Zukunft wird sich die neue Wohnbebauung mehr auf die Innenraumverdichtung konzentrieren, weil wir nicht noch mehr freie Landschaft verbraten dürfen. Etwas anders ist die Situation bei den Gewerbeflächen. Es ist abzusehen, daß die Gemeinde Weingarten in nächster Zukunft keine Gewerbegrundstücke mehr für Kaufinteressenten zur Verfügung stellen kann. Aus diesem Grund stellt unsere Fraktion den Antrag, daß die Gemeinde unverzüglich mindestens für ein weiteres im Flächennutzungsplan ausgewiesenes Gewerbegebiet einen Bebauungsplan erstellen lässt. d) Wasser Ich darf mich kurz einmal dem Thema Wasserversorgung zuwenden. Um die Sicherheit der Versorgung unserer Bürgerinnen und Bürger zu gewährleisten, von der Menge, von der Qualität und vom Druck her, wird in diesem Jahr die Planung für einen neuen Wasserbehälter erfolgen, der deutlich höher liegt als der im Be-trieb befindliche und in Betrieb bleibende Setzwasserbehälter, Soviel zum Weingartener Wasser. e) Zukunftsträume In früheren Haushaltsreden und Beiträgen für die Turmbergrundschau haben wir in der Regel zu Verkehrsfragen Stellung genommen. In den letzten Jahren haben wir oft den Ausbau der L559 am südlichen Ortsrand angesprochen. Da die Gemeinde Weingarten bei diesem Projekt auf einer Bahnunterführung besteht, wird diese im Vergleich zu einer Überführung teuerere Version finanziell von der Gemeinde einen Beitrag abverlangen, den die Gemeinde aus den eingangs meiner Rede gemachten Ausführungen zur Zeit wohl nicht aufbringen kann. Konsequenz: Dieses Projekt wird noch eine Denkpause bekommen. Auch der von uns als weiteres Großprojekt angesehene Ausbau des neuen Freibades mit einem vollwertigen Schwimmbecken wird kaum in dieser Gemeinderatsperiode gebaut werden. Dieses Vorhaben finden wir im zwar nicht verbindlichen aber aufschlußreichen Finanzplan der Gemeinde in den Jahren 2013 und 2014 mit Folgejahren aufgeführt, d.h. es besteht im Augenblick keine Chance zur Realisierung. f) Energieeinsparung Zum Thema Energieeinsparung ist die SPD-Fraktion der Auffassung, daß sowohl Baden-Württemberg als auch wir hier in Weingarten bis zum Jahr 2020 20% des Primärenergieeinsatzes einsparen bzw. Primärenergie aus erneuerbaren Energien einspeisen können. Die öffentliche Beleuchtung ist dabei ein nicht unwesentlicher Aspekt, da diese noch hohe Einspar- und Effizienzpotentiale aufweist und einen maßgeblichen Anteil unseres Stromverbrauchs ausmacht. Das Land Baden-Württemberg hat 2009 ein Förderprogramm „Energieeffiziente Straßenbeleuchtung“ im Umfang von einer Million Euro aufgelegt, das aufgrund der großen Nachfrage der Gemeinden auf zwei Millionen aufgestockt wurde. Die Antragsfrist dafür endete am 30.4.2009! 339 Kommunen haben Fördermittel beantragt – nur Weingarten hat wieder einmal geschlafen! Hier sollten wir die Verwaltung einmal fragen, warum solche innovativen Förderangebote nicht beachtet werden. Wir bitten, hierauf künftig sorgfältig zu achten und beantragen, daß sich die Verwaltung 2010 intensiv mit dem Thema „Energieeinsparung“ auseinandersetzt. Anträge dazu liegen dem Gemeinderat bereits vor. In diesem Zusammenhang steht auch die Sanierung der gemeindeeigenen Gebäude und die Forderung, künftige Neubauten der Gemeinde nur als Null-Energie- und Energie-Plus-Häuser zu erstellen. g) Sonstiges In Kurzform können wir noch zum Ausdruck bringen, daß wir uns freuen, daß
  • der REWE-Markt in der Bahnhofstraße eine Zusage über seinen Weiterbestand mindestens bis 2013 gegeben hat, und
  • die Gemeinde Weingarten im Landkreis beim Einsatz regenerativer Energien eine führende Rolle spielt.
4. SCHLUSS Unser Dank gilt den Mitarbeitern des Rechnungsamtes und des gesamten Hauses für die Erstellung des Haushaltsentwurfs sowie für die Erläuterungen dazu im Rahmen der Vorberatungen. Außerdem danken wir dem Bürgermeister und allen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen der Verwaltung, welche dem Gemeinderat und seinen Ausschüssen bei ihrer Arbeit behilflich sind und waren. Auch allen im Bauhof und den im Forst tätigen Mitarbeitern der Gemeinde sprechen wir unseren Dank aus. Die SPD-Fraktion stimmt dem Haushalt der Gemeinde Weingarten für das Jahr 2010 und dem Wirtschaftsplan der Wasserversorgung für 2010 zu.
 

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