Haushaltsrede 2020 der SPD Gemeinderatsfraktion

Veröffentlicht am 03.04.2020 in Finanzen/Wirtschaft

Gemeinderat Weingarten - Sitzung am 30. März 2020
Haushaltsrede der SPD-Fraktion - Friederike Schmid

Liebe Mitbürgerinnen und Mitbürger, sehr geehrter Herr Bürgermeister Bänziger, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Gemeinde, liebe Kolleginnen und Kollegen im Gemeinderat,
Was soll man zu diesem Haushalt sagen? Wenn ich ein passendes Motto nennen sollte, das mir zu diesem Haushalt einfällt, dann dieses: "Augen zu und durch!". Das hat der Haushalt mit der aktuellen Corona-Situation gemeinsam. Und der Haushalt von gestern wird aufgrund der Corona-Krise morgen ohnehin ganz anders aussehen.

Und falls jemand einmal ein treffendes Beispiel dafür braucht, was unter Sachzwängen zu verstehen ist, dann würde ich sagen: "Schau Dir den Haushalt 2020 unserer Gemeinde Weingarten an, dann weißt Du es: Alles muss, nichts kann."

Es gibt zwei massive Kostenblöcke, die den Weingartener Haushalt dominieren und diesen schier erdrücken. Dadurch bleibt fast kein Spielraum für viele andere Ideen und Themen.

Zum einen sind es die Kosten für Kinderbetreuung und Schule und zum anderen die Kosten für den Straßenbau.
Weingarten benötigt in naher Zukunft mindestens sieben weitere Kindergartengruppen, um den Bedarf zu decken - unter anderem einen komplett neuen fünfgruppigen Kindergarten.

Hierdurch werden massiv Kosten entstehen, schätzungsweise über 5 Mio. Euro, die man nicht so einfach aus dem Ärmel schütteln kann. Woher nehmen und nicht stehlen? Aber das sind Gelder, die man einfach brauchen wird und sehen muss, woher man sie nimmt.

Außerdem fallen für die Kindergärten und Krippen jährliche Betriebskosten in Höhe von über 3,4 Mio. Euro an, die - nach Abzug aller Beiträge und Landeszuschüsse - an der Gemeinde Weingarten hängen bleiben. Umgelegt auf die betreuten Kinder sind das über 6.000 Euro pro Kind, welche die Allgemeinheit aufbringen muss - zusätzlich zu den Beiträgen der Eltern!

Hinzu kommt, dass die ungeliebte Containerlösung für die Schule endlich beendet werden soll. Man hat sich entschlossen, die Schule am bestehenden Standort zu erweitern und in diesem Zuge gemeinsam mit den Kirchen ein neues Gemeindehaus zu schaffen. Dieses etappenweise Bauvorhaben wird den Gemeindehaushalt über mehrere Jahre sehr stark belasten. Erste grobe Schätzungen gehen von mindestens 12 Millionen Euro aus.
Natürlich ist es wichtig und zu begrüßen, dass in die Erziehung und Bildung unserer Kinder und damit in unsere Zukunft investiert wird. Auch ist es schön, dass Weingarten sich zu einem tollen Wohnort entwickelt hat, der auch bei jungen Familien so begehrt ist. Allerdings bringen die damit verbundenen Kosten unsere Gemeinde zunehmend an ihre Grenzen. Ich habe ehrlich gesagt meine Bedenken, wo und wie das enden soll.
Der Gesetzgeber hat den Gemeinden eine Kinderbetreuungspflicht auferlegt, bei deren Nichteinhaltung Klagen und Schadensersatzforderungen von Eltern drohen. Die Eltern haben immer höhere Erwartungen an die Betreuungszeiten, am liebsten völlig flexibel, rund um die Uhr und kostenfrei - und auf der anderen Seite lassen immer strengere Bauvorschriften die Kosten explodieren. Ganz am Ende sind es dann die Gemeinden, die auf diesen Kosten sitzen bleiben bzw. diese an anderer Stelle einsparen müssen.

Ein zweiter großer Kostenblock im Haushalt sind die Investitionen in Straßensanierungen. Vielleicht hätte man hier
vor 10 bis 20 Jahren bereits etwas mehr investieren sollen. Dann hätte es uns jetzt nicht ganz so geballt erwischt. Herr Bänziger hat sich wahrscheinlich auch nicht träumen lassen, dass er in Weingarten mal mit einem Alptraum-Projekt wie der Sanierung der Jöhlinger Straße konfrontiert wird. Mit allen damit verbundenen Herausforderungen: Mit Anfeindungen aus den Nachbargemeinden, mit sehr engagierten Anwohnern, mit Unterschriftenaktionen, die gar vor einer Spaltung des Orts warnten oder mit ausgefuchsten Ampelschaltungen am Steigweg. Das Entwirren und komplette Austauschen der unter der Jöhlinger Straße verlaufenden Versorgungsleitungen und die
Regelung des Umleitungsverkehrs sind eine riesige Herausforderung. Das gilt besonders für den noch
bevorstehenden dritten Bauabschnitt. Insgesamt können sich die Ergebnisse der jüngsten Straßensanierungen aus meiner Sicht aber sehen lassen. Die Arbeiten in der Burgstraße sind im Endspurt und der komplett neu gestaltete Kirchplatz mit Bachbühne ist eine echte Bereicherung und hat seine ersten Bewährungsproben als ein attraktiver Veranstaltungsort bestanden.

Über 2,5 Mio. Euro müssen in 2020 für Straßenbau und Erschließung investiert werden: für den 3. Bauabschnitt der
Jöhlinger Straße, für die Sanierung der Silcherstraße und für die Erschließung des Gewerbegebiets Sandfeld. Weitere Straßen- und Tiefbaumaßnahmen werden in den kommenden Jahren folgen. Sei es die Schillerstraße oder die Paulusstraße, fast unter jeder Straße in Weingarte schlummert ein weiteres Bauvorhaben.

Zusammen mit anderen Kostenpositionen, die zwingend für den Kernhaushalt der Gemeinde aufgewendet werden müssen, führt das leider dazu, dass bei den Haushaltsberatungen viele Projektideen und Investitionen zwangsläufig als optional gekennzeichnet und in den Haushalt 2021 verschoben werden mussten. Das trifft z.B. den in den letzten Jahren stets eingeplanten Betrag von 60 T€ für die Sanierung der öffentlichen Kinderspielplätze- Dies das war stets ein Anliegen der SPD und hier wurde auch bereits viel investiert. Auch die zugesagte Beteiligung an der Finanzierung des TSV-Außengeländes mit 385 T€ ist durch die Gemeinde derzeit einfach nicht leistbar. So gerne man sich bereits dieses Jahr hieran beteiligen würde, wenn das Geld da wäre. Aufgeschoben ist nicht aufgehoben, aber momentan ist leider nur das Pflichtprogramm möglich und keine Kür. Selbst die Finanzierung des Pflichtprogramms ist heikel genug und nur durch weitere Kreditaufnahmen und Schulden finanzierbar, vor allem wenn nicht alle im Haushalt erwarteten Erlöse und außerordentlichen Erträge realisiert werden können.

Zum Glück sind Kreditaufnahmen aufgrund der Niedrig- und Negativzinsphase eher günstig. Ob man als kleine Gemeinde aber den Weg gehen kann, wie er am 9. März in den BNN für die Stadt Karlsruhe berichtet wurde, wage ich zu bezweifeln.
Karlsruhe nimmt durch die Aufnahme von Kassenkrediten mehr Geld ein, als an Negativzinsen für Guthaben fällig werden? Ich wage es zu bezweifeln. Vor allem ändert das ja nichts an der Tatsache, dass aufgenommene Kredite trotzdem in der Zukunft wieder getilgt werden müssen, damit man nicht dauerhaft auf einem hohen Schuldenberg sitzen bleibt.

Lassen Sie mich im Zusammenhang mit dem Haushalt noch kurz auf ein paar Punkte eingehen, die der SPD-Fraktion im Gemeindrat wichtig sind:

  • Wenn schon so viel Geld in Straßensanierungen gesteckt werden muss, dann sollte im Sinne der dringend nötigen Energie- und Verkehrswende zukünftig auch der Radwege-Ausbau stärker berücksichtigt werden!
  • Der Gemeinderat muss unbedingt baupolitische Grundsätze aufstellen, durch welche künftige Investoren als Bauträger von Wohnanlagen dazu verpflichtet werden, bezahlbaren Wohnraum für Personen mit geringem Einkommen zur Verfügung zu stellen (entsprechend des Landeswohnraumförderungsgesetzes Baden-Württemberg).
  • Der Ausbau der Kinderbetreuung sollte weiter forciert werden, um allen anspruchsberechtigten Kindern entsprechende KiTa- und Kindergartenplätze anbieten zu können. Auch wenn uns die Kosten schier auffressen.
  • Vor diesem Hintergrund sollte auch kritisch geprüft werden, wie die Bebauungspläne zukünftig gestaltet werden. Bauherren und Investoren streben einerseits danach, mit einer extrem verdichteten städtischen Bauweise und einer einer hohen Zahl von Wohneinheiten möglichst viel Gewinn zu erzielen. Die Gemeinde muss dann zusehen, wie sie mit den in Folge entstehenden Infrastrukturkosten zurechtkommt. Das kann auf Dauer nicht gut gehen. Sind 10.000 Einwohner nicht langsam genug für unseren Ort?
  • Unsere Fraktion unterstützt die Forderung der SPD und anderer Verbände auf Landesebene nach gebührenfreien Kitas in Baden-Württemberg. Wir hoffen, dass es hierzu bald ein entsprechendes Volksbegehren geben wird. Was in anderen Bundesländern längst gang und gäbe ist, sollte doch auch in Baden-Württemberg machbar sein! Voraussetzung ist allerdings, dass diese Gebührenfreiheit am Ende nicht erneut zu Lasten der kleinen Kommunen geht, sondern vom Land getragen wird.
  • Wir befürworten die baldige Ausschreibung eines Architektenwettbewerbes für den Ausbau unserer Turmbergschule. Für dessen Durchführung sind im Haushalt 2020 150 T€ vorgesehen.
  • Wir würden uns darüber freuen, wenn unser neues Gewerbegebiet „Sandfeld“ umgehend baureif würde. Dieses wartet mittlerweile schon 10 Jahre auf seinen Start.
  • Die SPD-Fraktion unterstützt die wertvolle Arbeit unseres Jugendzentrums und fördert die wichtige ehrenamtliche Jugendarbeit unserer Vereine und anderer Organisationen, wie z.B. der AWO. Auch das neue Jugendforum erfährt unsere Unterstützung.
  • Wir begrüßen das aktive Engagement unseres Ortsseniorenrates. Dieser kann dem Gemeinderat wertvolle Impulse für die Belange unserer älteren Mitmenschen geben.
  • In Sachen Mobilität ist es auch das Bestreben unserer Fraktion, die von uns angeregten „Mitfahrerbänke“ baldmöglichst einzuführen. Dies betrifft insbesondere die Fahrten ins Seniorenzentrum Edelberg.

Liebe Zuhörerinnen und Zuhörer,
weil Kinderbetreuung, Schule und Straßenbau so viel verschlingen, dass für viele andere Ideen und Projekte oder für Luxusthemen im Haushalt einfach zu wenig Geld da ist, gilt umso mehr das von mir eingangs erwähnte Motto: „Augen zu und durch“.

Die SPD-Fraktion stimmt dem Haushalt 2020 zu.

Wir danken allen für die Gemeinde Weingarten tätigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und unserem Bürgermeister Herr Bänziger, für ihre in 2019 geleistete Arbeit. Es ist uns bewusst, wie sehr die vielen großen Projekte und Baustellen alle Beschäftigten der Gemeinde fordern und an ihre Grenzen bringen, ohne dass ein Ende absehbar ist.

Auch möchte ich meinen besonderen Dank an alle Mitbürgerinnen und Mitbürgern richten, die durch ihre ehrenamtlichen Tätigkeiten einen wertvollen und wichtigen Beitrag für unser gemeinsames Zusammenleben in Weingarten geleistet haben. Sie tragen wesentlich dazu bei, dass unser Weingarten ein so lebenswerter Ort ist.
Wir freuen uns auf die weiterhin konstruktive und positive Zusammenarbeit von Bürgerinnen und Bürgern, Gemeinderat und Gemeindeverwaltung in hoffentlich bald wieder Corona-freien Zeiten!
Vielen Dank

 

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