„Keine Mehrbelegung durch die Hintertür“

Veröffentlicht am 29.08.2015 in Allgemein

Bericht aus den BNN vom 29.08.2015

Ein Grundstück im Gewann „Winkelpfad“ in Weingarten ist ins kommunalpolitische Rampenlicht gerückt. Dort soll eine Gemeinschaftsunterkunft für Asylsuchende entstehen. Unterschiedliche Ansichten zwischen Landkreis und einigen Fraktionen im Gemeinderat gibt es über die Größenordnung der Containeranlage. Ein erstes Baugesuch des Kreises wurde abgelehnt, weil die Baugrenzen nicht eingehalten waren und der Ausschuss für Umwelt und Technik keine Befreiung erteilen wollte (die BNN informierten).

In den vom Landratsamt vorgelegten Plänen geht es um eine Wohnraumzumessung von 8,5 Quadratmeter pro Person statt der rechtlich vorgeschriebenen 4,5 Quadratmeter für einen Asylsuchenden. Darin und in der Größe der Anlage sieht Timo Martin von der WBB ein Problem. „Somit können statt der im Gemeinderat beschlossenen Obergrenze von 60 Personen nun durch die Hintertür doch 90 Personen aufgenommen werden. Gleichzeitig ist nahezu kein Außengelände vorhanden, die Flüchtlinge werden in den warmen Monaten förmlich auf die Straße gezwungen. Dort kann es zu Konflikten kommen, da es sich um ein ruhiges Neubaugebiet handelt“, so Martin. Er schlägt eine Reduzierung der Wohncontainer mit einer Belegungszahl von drei Personen pro Container vor. Jedem stünden dann immer noch 5,7 Quadratmeter zur Verfügung, was über dem gesetzlichen Mindeststandard liege, und das Aufenthaltsgelände könne auch entsprechend größer gestaltet werden. Man habe auf keinen Fall mit der Ablehnung die Aufnahme verzögern wollen, betont der WBB-Sprecher. „Meine Fraktion war voll dafür, nach der Vorlage des Bürgermeisters zu entscheiden“, sagt Wolfgang Wehowsky (SPD). „Wir haben die großzügige Lösung begrüßt, und für uns wäre die Befreiung kein Thema gewesen. Wir hätten sie zurückgestellt. Was mich ärgert ist, dass es nun erneut eine Verzögerung bei der Aufnahme von Flüchtlingen gibt. Das darf nicht sein, wir müssen Flagge zeigen.“ „Mich ärgert, dass man das Konzept nicht so beschlossen hat, wie es vorlag“, sagt Klaus Holzmüller (FDP). „Irgendwo müssen wir die Menschen unterbringen. Ob jetzt an dieser Stelle oder an einer anderen. Es gibt in Weingarten keinen Standort, an dem sich nicht irgendjemand beeinträchtigt fühlt.“ Das der Bauantrag im Ausschuss abgelehnt wurde, kommt Holzmüller vor wie Verzögerungstaktik. „Da wollte jemand vor den Anwohnern gut dastehen.“ „Wir wollten keine Verzögerung oder keine Blockade. Wir wollten einfach nur sicherstellen, dass die vom Gemeinderat gefällte Entscheidung, dass an dieser Stelle wirklich auch nur zwischen 60 und 70 Flüchtlinge untergebracht werden, nicht unterlaufen wird“, sagt Gerhard Fritscher von der CDU-Fraktion im Gemeinderat. „Das Landratsamt Karlsruhe wird nun einen neuen Bauantrag einreichen, der keine Befreiung mehr benötigt und in dem auch die Anzahl der Container von 30 auf etwas mehr als 20 reduziert ist. Darüber wird der Ausschuss für Umwelt und Technik am 14. September erneut entscheiden“, informiert Hauptamtsleiter Oliver Russel. Die vorherige Ablehnung sei gewiss nicht allein wegen einer Überschreitung des Baufensters von 1,20 Metern geschehen. Vielmehr sei die Befürchtung aufgekommen, dass aus den angekündigten 60 Flüchtlingen bei einer größer dimensionierten Containeranlage auch schnell mal 90 werden könnten. Dies soll unterbunden werden durch eine Klausel im Pachtvertrag, den der Landkreis und die Gemeinde Weingarten über das Grundstück schließen müssen. „Da schreiben wir rein, dass auf diesem Grundstück maximal 60 Flüchtlinge untergebracht werden dürfen.“, so Russel weiter. „Das Innenleben der Container ist nach unserer Vorstellung normiert. Wir müssen auch Räume vorhalten für die Verwaltung, für Hausaufgabenbetreuung oder als Gemeinschaftsräume, und für Familien muss ich mir auch einen gewissen räumlichen Spielraum ertüchtigen“, informiert Ragnar Watteroth, Dezernent für Finanzen und Beteiligungen im Landratsamt. Daher habe sich wohl ein rechnerisches Missverständnis ergeben. Natürlich sei es richtig, dass der rechtliche Anspruch der Asylsuchenden auf Wohnraum bei 4,5 Quadratmeter pro Person liege, dennoch müsse man einen gewissen Spielraum einbauen. Die Angst, dass das Landratsamt 60 Asylsuchende ankündige und schließlich doch 90 unterbringe, sei unbegründet. Dennoch weist Watteroth darauf hin, dass es für Weingarten vermutlich nicht bei den bisher genannten Zahlen von 120 Flüchtlingen bleibe, die aufzunehmen sind. Die enorme Zahl von geschätzten 800 000 statt prognostizierter 450 000 Asylsuchenden in diesem Jahr, mache es sehr wahrscheinlich, dass die Gemeinde wohl in den kommenden Jahren bis zu 400 Menschen werde aufnehmen müssen. Im Landkreis gebe es keine weißen Flecken mehr. Jede Gemeinde werde in die Pflicht genommen, jede nach ihren Möglichkeiten. „Die Sache ist eigentlich ganz einfach: Es gibt einen Einwohnerschlüssel, und nach dem wird verteilt“, sagt Watteroth.

Bericht aus den BNN vom 29.08.2015
Von Redaktionsmitglied Martina Schorn

 

Wir bei Facebook